Das Recanto Plácida - und unsere Arbeit hier

Es ist soweit: Ich habe mich eingearbeitet. Und somit kann ich euch auch über meine Arbeit hier berichten!

Seit der ersten Woche gibt es einige Änderungen, was unsere Arbeitszeiten angeht. Anfangs sollten wir 8 Stunden am Tag, von montags bis samstags arbeiten. Das waren nur schon 48 Stunden pro Woche und laut unserem Vertrag dürfen wir nur maximal 40 Stunden pro Woche arbeiten. Die Wochen, die wir in diesem Rhythmus gearbeitet haben, waren sehr anstrengend. Besonders, weil wir auch noch mit der Sprache und den ganzen neuen Eindrücken beschäftigt waren.

Jetzt hat sich aber alles etwas entspannt. Außerdem dürfen wir nun auch die Sozialarbeit am Stadtrand unterstützen. Eigentlich ist das die Aufgabe der MaZ, die in der Creche (KiTa) arbeiten, aber da wir visumsbedingt nicht sicher wissen, ob wir das zweite halbe Jahr in der Creche arbeiten werden, ist die Sozialarbeit für uns jetzt schon offen.

Ab November arbeiten wir vormittags vier Stunden im Recanto und haben den Nachmittag frei für die Sozialarbeit. Bei Festen, oder wenn Personalmangel ist, springen wir aber auch noch zwischendurch ein.

 

Der Oktober wird eine ganz besondere Erfahrung! Eine Hilfsköchin ist den ganzen Oktober im Urlaub, und deswegen ersetzten Charlotte und ich sie. Das heißt um 6:00 Uhr morgens anfangen zu arbeiten. Nein, nicht um 6:00 Uhr aufstehen, sondern fertig in der Küche stehen! Wir arbeiten dann bis circa 12:00 Uhr und haben dann komplett frei. Ich bin echt gespannt, wie das wird!

Der Vormittag

Vormittags ist bei uns immer Arbeit im Refetório angesagt. Wenn wir morgens um 6:00 Uhr anfangen, bereiten wir die Diäten für diejenigen vor, die künstlich ernährt werden, überprüfen die Temperaturen der Kühlschränke und machen das Refetório, was den Speisesaal darstellt, für das Frühstück fertig.

Die Tische werden schon direkt an die Vorlieben der Bewohner angepasst, das ist gar nicht mal so wenig zu lernen...

Neben dem normalen Frühstück bereiten wir auch das ‚Papa‘ vor. Papa ist eine Banane, ein halbes Milchbrötchen, ein Löffel Nahrungsergänzungspulver und eine Tasse extrem süßer Kaffee mit extrem viel Milch. Das ganze wird mit einer Gabel schön gematscht, sodass ein Brei entsteht. Ich muss sagen, dass der eigentlich ganz lecker riecht!

Wir haben morgens ebenfalls die Aufgabe diesen Brei  denjenigen Bewohner zu reichen, die nicht mehr alleine essen können. Durch das Füttern bekommt man eine sehr gute und liebevolle Bindung zu den Bewohnern. Mittlerweile erkennen die Meisten einen schon und lächeln einem herzlich entgegen. Auch wenn Essen an sich nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehört. Ich weiß jetzt, wer mehr Zeit zum Essen braucht, wer einen kleinen Löffel benötigt, und was man machen kann, damit derjenige besser isst. Kleine Tricks, wie singen, oder sich einfach nur mit der Person unterhalten, hilft schon den Meisten zu vergessen, dass sie eigentlich gar nicht essen wollten. :)

Wenn ich etwas nach diesem Jahr perfekt kann, dann ist es Spülen und Abtrocknen. Jeden Tag, morgens und mittags, Geschirr von circa 45 Personen fertig machen ist schon eine Menge. Wir arbeiten uns langsam zum Rang einer Geschirrspülmaschine hoch! :'D

Sobald das Refetório fertig ist, fragen wir in der Küche nach, ob wir helfen können. Das können wir eigentlich immer! Ob Gemüse waschen, irgendetwas schnippeln, oder Orangensaft pressen - Unsere Hilfe wird gerne angekommen.

Hier gibt es immer frischen und selbstgemachten Saft. Natürlich verdünnt mit Wasser, aber immerhin! Am Anfang unserer Zeit hatten wir ein paar Auseinandersetzungen mit der Orangenpresse. Drei Mal haben wir es geschafft sie zu überhitzen und wir mussten auf die altertümliche Weise ausweichen: Per Hand. Es ist wahrscheinlich das erste und hoffentlich letzte Mal gewesen, dass ich vom Orangenpressen Muskelkater hatte... Nach 50-100 Orangen kann das nämlich auch mal passieren!

 

Die Arbeit in der Küche ist immer ziemlich lustig. Die Köchin und ihre Hilfsköchinnen sind unglaublich lieb und witzig. Da passiert es auch mal, dass das ganze Altenheim hört, wie die Köchin singt, nein, eher schmettert!

Mittags bereiten wir dann die Teller für das Mittagessen vor und reichen sie den Bewohnern. Wer bekommt wie viel Reis, wer mag keine Bohnen, wer bekommt noch zusätzlich Medizin. All die Sachen sind wir dabei zu lernen.

 

In der Zwischenzeit, wenn wir grade nichts zu tun haben, können wir mal mit den Bewohnern durch den schönen Garten schlendern. Das ist eine gute Möglichkeit mal abzuschalten.

Hin und wieder steht bei uns auch Gartenarbeit an. Hier ist nämlich ein Nutzgarten, der natürlich gepflegt werden muss! Einpflanzen, ernten, gießen, Unkraut zupfen. Alles muss gemacht werden! Gartenarbeit, so hab ich es gemerkt, ist unglaublich gut um zu entspannen und sie macht zusätzlich noch Spaß! Natürlich ist die Arbeit nicht einfach, aber sie ist psychisch nicht anstrengend, wie die Arbeit mit den Senioren mal sein kann. 

 

Neben dieser Arbeit im Altenheim geben wir noch eine Stunde Deutschunterricht am Tag. Bei uns im Flur wohnen nämlich seit Neustem zwei Jungs. Der Paulo geht bald für ein Jahr nach Deutschland und möchte dafür natürlich einige Kenntnisse haben. Und der Gilvan ist Bruder und spielt auch mit dem Gedanken eine Zeit in Deutschland zu verbringen. 

Auch für uns ist der Unterricht lehrreich, denn man wiederholt alle portugiesische Grundlagen. Deutsch auf einer Sprache zu unterrichten, die man selber noch nicht perfekt beherrscht ist eine Herausforderung, aber bisher hat sich noch keiner der Beiden beschwert :p

Impressionen zur Arbeit am Vormittag

Die Nachmittagsaktivitäten

Die Aktivitäten werden immer von einer anderen Person vorbereitet. Mal von dem Physiotherapeuten, mal von verschiedensten Pflegern, mal von der Ernährungsberaterin, oder von einer der Schwestern. Auch die Intention der Aktivitäten variiert. Mal sollen die kognitiven Fähigkeiten gefördert werden, mal die geistigen Fähigkeiten, mal soll es einfach nur Spaß machen.

 

Eine Schwester macht jeden Montag mit den Bewohnern eine Gruppenphysiotherapiestunde. Bälle werden den Bewohnern zugeworfen, die sie dann zurückwerfen müssen, Sitzfußball, Sitztanz, oder Spiele mit dem Schwungtuch. Es ist irgendwie witzig: Das Schwungtuch kenne ich bisher nur aus meiner Kindheit. Auch Puppen, Trinkbecher, oder basteln verbinde ich nur mit Kindern. Aber hier werden diese Kindheitsgegenstände auch verwendet! Durch solche Kleinigkeiten zeigt sich mir das Leben als Kreislauf. Irgendwann müssen wir wieder von vorne anfangen.

Bei dieser Stunde haben Charlotte und ich immer ziemlich viel Spaß, weil parallel Musik gespielt wird. Die guten alten Songs von Rihanna, Pink und Coldplay. Perfekt zum mitsingen!

 

Die gleiche Schwester bastelt auch oft mit den Bewohnern. Dabei entstehen wirklich schöne Sachen! Jeden ersten Samstag im Monat findet im Altenheim ein Bazar statt, bei dem, unter anderem, die selbstgebastelten Gegenstände verkauft werden.

 

‚Pra ser feliz‘ ist ein Lied, das wir einen Nachmittag mit einigen Bewohnern gehört, gelesen und besprochen haben. Der Physiotherapeut hat das Ganze angeleitet. Zuerst dachte ich, dass es ein recht langweiliger Nachmittag würde, aber dann ging es zu der Diskussionsrunde. Ein Bewohner, von dem ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht viel gehört hatte, hat dann losgelegt. Es war quasi eine Rede! Er hatte so einen Bedarf sich auszudrücken, das war unglaublich. Vor allem war es nicht nur etwas daher Gesagtes, es hatte richtig Tiefe. Er redete von Gott, von dem Glück eine Familie zu haben, unterschied zwischen Glück und glücklich sein usw. Alles habe ich natürlich nicht verstanden, aber es war schon wunderbar ihm nur zuzusehen, wie er in dieser Aufgabe aufging.

Den ganzen Tag haben die Bewohner noch von dem Nachmittag erzählt und geschwärmt.

 

Bingo! Jeder kennt es und jeder hat es mal gespielt. Hier in Leme wird Bingo unglaublich oft angeboten. Dann darf das Zahlenspiel natürlich auch nicht im Recanto Plácida fehlen! Für mich hat sich das Spiel auch als ziemlich praktisch zum Zahlen lernen herausgestellt.

 

Mal wird auch einfach nur ein Film geguckt, Hangman, oder andere Brettspiele gespielt.

 

Toll ist auch immer das Kochen mit der Ernährungsberaterin. Um einen Tisch sind dann alle versammelt und tragen Hauben. Das sieht immer so süß aus! Egal ob Pizzaschnecken, Kuchen oder die für Brasilien berühmten Brigadeiros gemacht werden - jeder der möchte und kann bekommt eine Aufgabe. Was ich bei dieser Aktivität besonders gut finde ist, dass man ein Produkt hat. Man macht etwas zusammen und kann es später gemeinsam essen. Das ist für alle eine Art Erfolgserlebnis und man freut sich, dass man gemeinsam etwas geschafft hat.

Impressionen zu den Nachmittagsaktivitäten

Der kleine Prinz

'Ich aber sage, dass nichts ohne die Liebe geschehen kann (...). Je mehr du gibst, umso mehr wächst du. Es muss aber einer da sein, der empfangen kann. Und es ist kein Geben, wenn man dabei nur verliert.' 

- Die Stadt in der Wüste

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Kommentare: 2
  • #1

    Kilian (Montag, 03 Oktober 2016 20:33)

    Hallo Pauline!
    Man bekommt echt einen einblick in die Arbeit in dem Altenheim was Du so da machst finde ich echt schön und spannend.
    Wünsche Dir eine schöne Zeit und weiterhin so tolle Erfahrungen.
    Gruß Kilian

  • #2

    Elmar (Dienstag, 04 Oktober 2016 19:52)

    Hi Pauline ,
    danke für deine toll geschriebenen Blogs . Sie erklären uns deine vielfältigen Arbeiten in Brasilien , aber auch deine Gedanken über das Land und vor allem über die Menschen.
    Hab noch viel viel Freude in Brasilien
    Wir sind gespannt auf deinen nächsten Bericht.
    alle Thielen von der Savignystrasse


Der kleine Prinz

'Am Ende geht einer doch immer dahin,

wohin es ihn zieht'

 - Flug nach Arraz