Raus aus dem Altenheim!

In den ersten drei Wochen hatten wir keine Fahrräder und keinen Schlüssel. Die erste Zeit waren wir also quasi ununterbrochen im Altenheim. Die Fahrräder und der Schlüssel waren sozusagen unser Weg in das Jenseits des Recantos. Seitdem sind wir jeden Tag unterwegs, ob es nur zum Einkaufen ist, oder um die Sozialarbeit in den Bairros zu machen.

Immer in dem gleichen Haus zu sein, den immer gleichen Tagesablauf zu haben, stelle ich mir sehr eintönig vor. Auch für die Bewohner hier. Natürlich sind die Senioren (größtenteils) weniger abenteuerlustig und nicht so energiegeladen wie wir es sind, jedoch glaube ich, dass es jedem Menschen gut tut, mal für einige Zeit aus der gewohnten Umgebung zu entfliehen.

Ein Ausflug!

Einen Tag war es dann soweit: Ein Ausflug! Alle Bewohner, die fit genug sind und Lust hatten wurden vor dem Eingang des Altenheims versammelt und gemeinsam wurde auf den Bus gewartet, der uns in einen sogenannten ‚Clube‘ bringen sollte. Unter dem Begriff ‚Clube‘ kannte ich bisher nur so etwas wie einen Sportclub und ich konnte mir schwer vorstellen, dass wir von morgens um 9:00 Uhr bis nachmittags um 16:00 Uhr mit den Senioren Sport machen würden. Den Meisten ist schon der Weg vom Sofa zum Essenstisch zu anstrengend...

Aber wir sind dann tatsächlich in einen großen Sportclub gefahren! Tennisplätze, Fußballfelder und Footballwiesen waren auf dem Gelände en masse. Aber neben den unzähligen Sportmöglichkeiten und einem kleinen angelegten See gab es auch kleine Grillplätze mit Überdachung. Einen dieser Plätze hatten wir wohl gebucht und somit konnten wir nach der kurzen Fahrt mit dem Bus, den Leuten aus dem Bus helfen und es uns gemütlich machen. Wenn ich über den Bus schreibe, denkst du, lieber Leser, wahrscheinlich an einen Reisebus, ohne Treppen, seniorengerecht, nicht wahr? Aber nein, stell dir einen Stadtbus vor, bei dem nicht mehr alle Sitze Polster haben mit einer dreistufigen Treppe. Dementsprechend hat das Ein- und Ausladen der Senioren in den Bus lange gedauert und benötigte viele Hände, Anweisungen und die ein oder andere Trageaktion.

 

Während sich Einige an das Vorbereiten des Mittagessens gemacht haben, spielten wir mit den Senioren Memory, Domino oder Karten. Mit einem der Bewohner habe ich mich ausgiebig über die Bibel unterhalten. Er hatte nämlich in einer Aktentasche zwei dicke Bücher mitgenommen und als ich fragte, was er denn lese, hielt er mir einen kleinen Vortrag. Es war wirklich interessant ihm zuzuhören und mit ihm zu diskutieren. In dem Recanto gibt es nicht allzu viele Bewohner, die geistig noch auf dem Stand für eine ernsthafte und seriöse Konversation sind. Dementsprechend überrascht und glücklich war ich nach dem Gespräch, für das er sich ausgiebig bei mir bedankte. 

Nach dem Churrasco, was vergleichbar mit grillen ist, war es an der Zeit sich auszuruhen. Mit einfachen Decken und Unterlagen haben wir uns mit den Senioren auf die Wiese in den Schatten gelegt und Eis gegessen. Die Atmosphäre war so unglaublich entspannend und alles war so einfach! Der Paulo, der im März für ein Jahr nach Deutschland gehen wird, hat sich mit dazugesetzt und Gitarre gespielt. Lieder, die die Senioren kannten, aber auch brasilianische aktuelle Musik, die quasi die ganze Belegschaft auswendig konnte. Eine Frau, die normalerweise immer unglaublich traurig wirkt, in Gedanken vertieft ist und ohne erkennbaren Grund anfängt zu weinen, ist an diesem Tag aufgeblüht wie eine Blume. Sie hat gelacht, viel erzählt, zur Musik geklatscht und gesungen. Natürlich haben alle diesen Ausflug genossen, aber bei ihr ist mir diese plötzliche Fröhlichkeit und Entspannung am deutlichsten aufgefallen und das hat mich für sie unglaublich gefreut.

 

Auch wenn wir und die Bewohner abends einfach nur müde ins Bett gefallen sind, bzw. ins Bett gehoben wurden, war es ein wunderschöner Tag.  

Impressionen

Der kleine Prinz

'Ein Lächeln ist oft das Wesentliche. Man wird mit einem Lächeln bezahlt. Man wird mit einem Lächeln belohnt. Man wird durch ein Lächeln belebt.'

-Bekenntnis einer Freundschaft

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Kommentare: 1
  • #1

    Elmar Thiele (Mittwoch, 30 November 2016 17:11)

    Hallo Patenkind ,
    wieder hast du eine wirklich sehr schöne , berührende Geschichte deines Aufenthaltes in Brasilien geschrieben.
    Wir aus Bad Lippspringe sind immer gespannt was du als nächstes beschreiben wirst.
    Bitte weiter so.
    Wir wünschen dir , liebe Pauline , eine ruhige , erholsame, brasilianische Adventszeit .
    Viele liebe Grüße
    von allen Thielen aus der Savignystr. in Bad Lippspringe


Der kleine Prinz

'Am Ende geht einer doch immer dahin,

wohin es ihn zieht'

 - Flug nach Arraz