Die Capoeirafamilie

Hier kommt, wie versprochen, der Artikel über Capoeira!

Vielleicht fragst du dich jetzt, lieber Leser, was das denn überhaupt ist, und warum es so dringend einen eigenen Blogartikel verdient hat. Ich versuche es dir in diesem Artikel zu erklären.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Capoeira ist ein traditioneller, respektvoller, in der Sozialarbeit eingesetzter Kampftanz, der mich einfach nur fasziniert.

Weil es wahrscheinlich schwer sein wird sich die Kunst des Capoeira vorzustellen, gebe ich dir, lieber Leser, direkt die Möglichkeit ein Video anzuschauen, um sich ein Bild machen zu können.

Fangen wir an mit dem ersten Attribut: TRADITIONELL

Ursprünglich kommt Capoeira von den Indios, die hier ansässig waren, bevor die Europäer das Land erreichten. Die Indios nutzten es jedoch nicht als Freizeitbeschäftigung, oder Sozialarbeit, wie wir es heute tun. Wenn ein Eindringling damals in besetztes Gebiet kam, wurde er mit diesem Kampftanz abgewehrt bzw. gewarnt.

Mittlerweile hat sich der Sinn, und auch die Umstände Capoeiras geändert. Er wird nicht mehr zur Abwehr genutzt, sondern als lehrreiches Hobby. Somit hat sich auch der Sport ‚Capoeira‘ zu einer Tradition entwickelt.

 

Es gibt verschiedene Formen von Capoeira, sogenannte Schulen. Die Art, die wir lernen, heißt Abadá - Associacao Brasileira de Apoio e de Desenvolvimento da Arte Capoeira oder übersetzt 'Brasilianische Vereinigung zur Unterstützung und Förderung der Capoeirakunst'.

Vergleichbar wie beim Karate gibt es Gürtel bzw. Kordeln. Die Kordeln haben alle verschiedene Farben mit verschiedenen Bedeutungen. Die Farben werden mit Elementen der Natur assoziiert:

  • Weiß, ‚crua‘= roh ist die Ausnahme. Sie hat noch gar keine Farbe und ist für jeden Anfänger.
  • Gelb steht für Gold und für die potentielle Entwicklung des Schülers. Diese erste farbene Kordel bekommt man bei der Taufe, ein Capoeirafest, an dem alle Schüler in die nächst höhere Farbkategorie aufsteigen, wenn sie soweit sind.
  • Orange steht für die Sonne und das Erwachen des Schülers.
  • Blau steht für den Ozean und somit für die Weite. Dem Schüler soll klarwerden, dass der bevorstehende Weg noch sehr lang ist.
  • Grün ist die Farbe des Waldes. In der Zeit in der der Schüler diese Kordel besitzt, soll er seine Fähigkeiten verfestigen und mit der Gruppe wachsen.

 

  • Mit der lilafarbenen Kordel hat man als Mensch und Capoeirista viele Überwindungen hinter sich und trägt die Philosophie der Gruppe.
  • Braun symbolisiert das Chamäleon, das sich nur verändert um seinen Sinn zu erhalten.
  • Rot steht für Rubin, den Stein der Gerechtigkeit. Der Capoeirista hat nun die Verantwortung Entscheidungen zu fällen und strebt an in Gerechtigkeit zu leben.
  • Die letzte Kordel,, also quasi das Non plus ultra, ist wieder weiß. Sie symbolisiert den Diamanten. Der Diamant spiegelt alle Farben in sich wieder und ist der resistenteste Stein. Dieser Großmeister ist durch Weisheit, Geduld, Menschlichkeit, Loyalität und Zielstrebigkeit ausgezeichnet.

Alle Farben haben Übergangsstadien, Transformationen. Beispielweise kann eine Kordel halb blau und halb grün sein.

 


Zum Verständnis nun einige Begriffserklärungen:

  • Roda: Die Roda ist der Kreis, in dem zwei Personen miteinander kämpfen. Er besteht aus Menschen, aus weiteren Capoeiristas, die zu den Gesängen und der Musik der Berimbau tanzen und klatschen.
  • Berimbau: Die Berimbau ist DAS Instrument des Capoeiras. Es wird gebaut aus einem Stab, einer ausgehölten und bearbeiteten Kokosnuss und einem Draht, der einer Gitarrenseite ähnelt.
  • Jogar: Jogar heißt spielen. Beim Capoeira kämpft man nicht, man spielt. Es ist kein herkömmlicher Kampf, es ist so viel mehr.
  • Jingar: Das ist der Grundschritt des Capoeiras. Zur Musik der Berimbau wird diese Grundbewegung von einer zur anderen Seite mit drei Schritten ausgeführt, während die Arme eine kopfschützende Bewegung machen. 

 

Das zweite Attribut: RESPEKTVOLL

Der Respekt steht beim Capoeira im Vordergrund. Es ist kein Kampfsport wie Boxen, wobei man sich gegenseitig zum K.O. bringen will. Beim Capoeira gibt es offiziell keine bzw. wenige Berührungen. Die Bewegungen, die man ausführt gehen zum Gegner bzw. Partner hin, jedoch weicht dieser rechtzeitig aus. Es ähnelt einer einstudierten Choreographie - jeder, der Capoeira für eine Zeit gemacht hat, kennt die Reaktion auf Bewegungen des jeweils anderen. Man tanzt alleine zusammen.

 

Ja, lieber Leser, es klingt kompliziert. Dementsprechend schwierig finde ich es auch es zu beschreiben. Bei uns Anfängern sind die Bewegungen noch relativ simpel und verhältnismäßig langsam, jedoch haben wir einen Tag einen Capoeira-Wettkampf besucht, bei dem alles so unglaublich komplex und rasend schnell ging, dass ich kaum mit meinen Augen hinterher kam. Wie soll man das dann bitte hinbekommen, wenn man selber in der Roda steht? Man muss unglaublich schnelle Reflexe haben, um in dem Level ausweichen zu können. Da kann natürlich schnell mal etwas schiefgehen. Wie Capoeira aber nun mal ist, wird sich nach dem Kampf die Hand gegeben und alles ist gut.

Auch wenn der Kampf besonders schnell und heikel wird, legt man eine kleine Pause ein, läuft im Kreis und startet wieder. Prinzipiell ist es beim Capoeira üblich, sich nach dem Kampf die Hand zu geben. Respekt dem Gegenüber zeigen und damit aussagen, dass der Kampf nur in der Roda stattfand. Genauso wichtig ist es, die ganze Zeit Augenkontakt mit dem Partner zu halten. Das ist eine Art Respekt zu zeigen, aber auch eine Hilfe um schneller auf die Bewegungen des Gegenübers reagieren zu können

 

Nicht nur bei der Ausführung von Capoeira wird der gegenseitige Respekt großgeschrieben. Bei den Capoeirastunden in den verschiedenen Stadtteilen herrscht eine unglaubliche Fröhlichkeit, Freundlichkeit und somit auch ein respektvoller Umgang. Jeder Anfänger wird in seinem Tempo in die Magie des Capoeiras eingeführt. Anfangs habe ich mich schlecht gefühlt, weil ich wirklich nichts, also wirklich gar nichts konnte. Trotzdem bin ich schon am ersten Tag in die Roda gegangen, weil es hier keine Rolle spielt, auf welchem Level man sich befindet. Hier herrscht kein bzw. sehr wenig Leistungsdruck. Natürlich prüfen sich die schon weiter ausgebildeten Jungs und Mädels immer wieder in der Roda, oder außerhalb mit Körperkunststücken, aber dadurch wachsen sie nur. 

Das dritte Attribut: SOZIAL

Ich habe diesen Artikel ‚Die Capoeirafamile‘ genannt, weil hier jeder, egal welchen Alters, Geschlechts oder Herkunft aufgenommen wird. Schon am Anfang habe ich mich in der Gruppe wohlgefühlt. Man muss sich nicht beweisen, oder sich in die Gruppe hinein kämpfen - man ist direkt mittendrin.

Capoeira wird von den Schwestern sehr stark unterstützt und in jedem Begegungszentrum angeboten, ob Primavera, Bonsuccesso, Imperial oder bald auch im Empyreo.

Der Capoeiralehrer Idael ist eine Koryphäe, anders kann ich ihn nicht beschreiben. Er besitzt ein solches Talent die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zusammenzuführen, zu motivieren, anzuleiten, und was das wichtigste ist: Zu respektieren. Sein Wesen als Capoeiralehrer ist sympathisch-autoritär. Ein Gabe, die ich sehr schätze.

Idael holt uns immer vom Recanto ab und bringt uns auch wieder nach Hause, da es im Dunkeln für uns zu gefährlich ist, alleine am Stadtrand Fahrrad zu fahren. Auf den Autofahrten ist immer etwas Zeit zum quatschen. Auf einer Fahrt hatte ich eine besonders interessante Konversation mit ihm. Er erzählte mir, dass einige seiner Schüler, die schon in einem weiteren Level sind, sehr viel Zeit auf der Straße verbracht haben, auf der Straße wohnten, und dabei waren abzurutschen. Er und die Magie des Capoeiras haben diese so wunderbaren Jugendlichen wieder auf die Füße gebracht.

 

Er sagte mir außerdem, dass er seine Schüler wie seine Kinder sehe. Sie sind ihm ans Herz gewachsen, jeder einzelne. Ich glaube, dass genau deswegen eine so wunderschöne Atmosphäre in den Stunden herrscht - beide Seiten, Lehrer und Schüler, mögen sich einfach sehr. 

Capoeira ist mitreißend, eindrucksvoll und faszinierend. Es ist mir eine Ehre diesen Sport und diese Art der Sozialarbeit kennenlernen zu dürfen.

 

Lieber Leser - ich weiß, der Artikel ist sehr lang geraten. Nur braucht es ein wenig um Capoeira zu erklären, wie du jetzt hoffentlich verstehen kannst. Vielleicht kannst auch du nun nachvollziehen, was mich an Capoeira so begeistert, ich würde es mir zumindest wünschen!

Der kleine Prinz

'Nimm Platz an meiner Seite, denn du existierst' 

- Die Stadt in der Wüste

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Kommentare: 2
  • #1

    Marieke (Donnerstag, 02 Februar 2017 08:15)

    Ich kenne Carpoeira zwar ein wenig, aber deine Erklärungen waren nochmal richtig hilfreich! Wo ist denn wohl in Deutschland der nächste Carpoeiraverein? :*

  • #2

    Louisa (Sonntag, 19 Februar 2017 21:23)

    Und schon vermisse ich es wieder...
    Wenn du wieder da bist, müssten wir alle zs. Mal zum Capoeira gehen <3

    Até*


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'Am Ende geht einer doch immer dahin,

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